Selbstverständnis

Die UAK München und Freising ist eine von Kirche und Betroffenen unabhängige Organisation, die sich für eine Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im gesamtgesellschaftlichen Interesse einsetzt. 
Sie versteht sich dabei als Organ, das völlig unabhängig, auf der Basis der Anliegen der Betroffenen und durch den (juristischen, psychologischen, sozialpädagogischen und jugendpsychiatrischen) Experten-Blick von außen der Erzdiözese konkrete Empfehlungen für strukturelle, institutionell umsetzbare Verbesserungen im Umgang mit dem Missbrauchs-Thema an die Hand gibt.
Dabei fühlt sie sich den Betroffenen ebenso verpflichtet, wie den 95 Prozent 'Nicht-TäterInnen' (MHG-Studie) unter den Klerikern und kirchlichen MitarbeiterInnen und insbesondere der großen Gruppe von Gläubigen und interessierten BürgerInnen unserer Gesellschaft.

Die UAK möchte einen Beitrag zu einer gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung zu diesem Thema leisten: Missbrauch in allen Formen war und ist v.a. deshalb möglich, weil auch die breite Mehrheit der Menschen im Umfeld des Missbrauchs oft – trotz besseren Wissens - letztlich nicht aktiv geworden ist.

Antworten zu Fragen, die häufig an die UAK München und Freising gestellt werden

Die Mitglieder der UAK wurden nicht von der Erzdiözese, sondern von der Staatskanzlei ausgewählt und dann erst vom Erzbischof eingesetzt. Kriterium für die Auswahl war ausschließlich eine hohe fachliche Expertise mit dem Thema ‚sexualisierte Gewalt‘ aus verschiedenen Bereichen der Fachpraxis, Wissenschaft, Justiz und Verwaltung.

Die Unabhängigkeit ist also bereits durch die Auswahl der Personen von staatlicher Seite her gewährleistet.

Die rechtliche Grundlage der Arbeit der UAK ist die sog. ‚Gemeinsame Erklärung‘ zwischen dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung und der Deutschen Bischofskonferenz. In ihr verpflichteten sich die Bischöfe, die Aufarbeitung unabhängig, transparent, mit Hilfe von externen, vom Staat ernannten Experten und mit institutionalisierter Beteiligung von Betroffenen zu gewährleisten. Die Mitglieder der UAK können also unabhängig arbeiten, auch wenn sie im Organisationsrahmen der Erzdiözese aktiv sind. So wie das jeder Richter auch tut, der sein Geld vom Staat bekommt und doch Urteile gegen den Staat fällen kann.

Der Betroffenenbeirat ist eine Interessensvertretung der Betroffenen von sexualisierter Gewalt in der Erzdiözese. Die Unabhängige Aufarbeitungskommission arbeitet dagegen im gesamtgesellschaftlichen Interesse, d.h.: sie fühlt sich einer professionellen, sachlichen, konstruktiven Auseinandersetzung mit diesem Thema verpflichtet, die das Unrecht der Vergangenheit klar anspricht, aber auch die gegenwärtigen Bemühungen der katholischen Kirche anerkennt. Außerdem hat sie diesbezüglich auch die Politik, die Presse und die gesamte Gesellschaft unseres Landes im Blick.

Im Kern aus zwei Gründen:

  1. Weil man innerhalb einer Institution manchmal ein wenig systemblind ist und eigene Defizite nicht mehr wahrnimmt, was eben durch externe Experten der UAK, erreicht werden soll. (Das ist übrigens in anderen Institutionen nicht anders: deshalb holt man sich ja auch in anderen Institutionen Supervisoren/Coaches und Organisationsberater von extern.)

  2. Weil der Aufarbeitungsprozess in den letzten 10 Jahren in den einzelnen (Erz-) Diözesen Deutschlands – in Abhängigkeit von den jeweiligen Ortsbischöfen - sehr unterschiedlich stattgefunden hat. Jetzt wurden in allen Diözesen verpflichtend diese UAKs eingerichtet, die nach staatlichen Standards und Kriterien und unabhängig vom Ortsbischof arbeiten, so dass ein standardisierter Aufarbeitungs-Prozess in ganz Deutschland Fahrt aufgenommen hat.

Hier in München ist diesbezüglich schon seit 2010 viel passiert, weil es hier von Anfang an Menschen in Führungspositionen gegeben hat, die diesem Thema große Bedeutung gegeben haben und entsprechend gehandelt haben. Wir haben deshalb jetzt auch das Glück, dass durch das große, bereits von der Erzdiözese vor zwei Jahren in Auftrag gegebene und im Januar 2021 veröffentlichte Gutachten bereits eine ganze Liste von Empfehlungen formuliert sind, die die Erzdiözese nun ebenfalls Schritt für Schritt abarbeitet.

Der Erzbischof und die Generalvikare haben bereits von sich aus seit 2010 – nach Bekanntwerden des ersten Gutachtens von WSW - angefangen, interne Strukturen bezüglich Prävention und Intervention zu verändern. Die Aufarbeitungskommission existiert ja erst seit Mai 2021 und kann für diese Zeit uneingeschränkt sagen:

Auch Kardinal Marx hat in den 25 Jahren seiner Bischofstätigkeit deutliche Fehler gemacht, diese auch eingeräumt (auch deshalb ja letztes Jahr seinen Rücktritt angeboten), hat sich aber – im Unterschied zu anderen Bischöfen – überraschend deutlich weiterentwickelt. Er selbst hat mehrmals öffentlich gesagt, dass ihm die unglaubliche Dimension des Missbrauchs erst 2018 mit der Veröffentlichung der MHG-Studie bewusst wurde. Besonders unverständlich ist, weshalb er nicht bereits 2010 auf die damals bekannten Betroffenen proaktiv zugegangen ist, für sie als Person Verantwortung übernommen hat und mit ihnen zusammen nach Lösungswegen gesucht hat. Allerdings muss man auch einem langgedienten Bischof einen Lerngewinn zuerkennen. Unserer Meinung nach setzt er sich jetzt glaubhaft und mit großer Nachdruck für die betroffenen Menschen und somit für einen tiefgehenden Paradigmenwechsel in der Kirche ein. Er nimmt dabei sowohl kirchenpolitisch (Synodaler Weg) als auch privat (in seiner Haltung im Alltag, z.B. der Gründung des Unterstützungs-Fonds aus seinen privaten Mitteln) nicht mehr primär die Institution, sondern primär den Menschen in den Mittelpunkt seines Denkens und Handelns.

Ja, natürlich kann die Kirche den Betroffenen selbst helfen, wenn die Verantwortlichen einer Diözese dies wollen; mittlerweile haben alle (!!!) deutschen Bischöfe der ‚Gemeinsamen Erklärung‘ bezüglich einer unabhängigen, transparenten, mit Hilfe von Betroffenen institutionalisierten Aufarbeitung zugestimmt. In München ist das schon seit langem der Fall:

  • Hier gibt es bereits seit 2010 mittlerweile drei unabhängigen Ansprechpersonen (z.B. für die Antragsstellung auf Anerkennung des Leis oder bei aktuellen Verdachtsfällen),

  • außerdem wurden mittlerweile Kooperationsverträge mit externen, kirchenfernen Beratungsstellen, wie Wildwasser / Münchner Männerinformationszentrum / LMU-Traumaambulanz geschlossen, zu denen Betroffene auf einfache Weise gehen, schnell Termine bekommen und sich umfassend informieren und beraten lassen oder auch Therapie in Anspruch nehmen können. Auch kann man sich – wenn man das möchte - über diese Stellen bei dem gesamten Prozess der Antragsstellung begleiten lassen.

  • Sehr überraschend war für mich/die UAK, dass unserem Betroffenenbeirat extrem wichtig war/ist, dass es neben den unabhängigen Ansprechpersonen und den kirchenfernen Beratungsstellen auch eine innerkirchliche Anlaufstelle mit einem Kleriker als Seelsorger geben soll, weil der ‚Verlust der Glaubensheimat‘ ein großes Thema für viele Betroffene ist. Deshalb wurde diese innerkirchliche Anlaufstelle - als gemeinsame Empfehlung von Betroffenenbeirat und Aufarbeitungskommission - eingerichtet, deren Leiter übrigens nicht nur Priester sondern auch selbst Betroffener ist.

Diesbezüglich sind zwei Aspekte von Bedeutung:

  1. Die katholische Kirche will inzwischen von sich aus das Thema aufarbeiten. Das muss man ihr auch zugestehen. Sie hat dazu bisher mehr gemacht als jede andere Organisation (Sport/Schule/Kulturbereich…), ihre Art der Aufarbeitung könnte mittelfristig für die Gesellschaft sogar einen gewissen Modellcharakter bekommen. Durch die ‚Gemeinsame Erklärung‘ haben sich nun alle (!!!) Diözesan-Bischöfe verpflichtet, nach staatlichen Standards und Kriterien die Aufarbeitung durchführen… und ‚können nicht mehr aus‘. Durch die regionale Struktur und die klare Hierarchie innerhalb der Diözesen können Veränderungen außerdem wesentlich schneller und passgenauer umgesetzt werden als das ‚der Staat‘ könnte.

  2. Durch die Einrichtung der UAK ist der Staat ja bereits längst ‚im Boot‘: die Mitglieder der UAK wurden ja von der Staatsregierung ernannt. Außerdem ist es ja auch nicht so, dass ‚der Staat‘ alles automatisch besser macht.: z.B. kam der Staat seinem im Grundgesetz festgelegten ‚Wächteramt‘ zum Schutz der Kinder und Jugendlichen in der Vergangenheit auch nur sehr unbefriedigend nach.

Also ja: zum großen Teil kann die Kirche selbst aufarbeiten, macht es ja auch, braucht aber Begleitung dazu. Die UAK ist so eine Begleitung.

Bei der Frage nach der Ombuds-Stelle muss man genau nachfragen, was jeder darunter versteht. Das ist nämlich ein sehr unterschiedlich verwendeter Begriff:

  • Die Idee kommt eigentlich aus Skandinavien, wo ein Ombudsmann verfassungsmäßig verankert ist und mit einem Stab an Mitarbeitern initiativ und mit weitreichenden Kompetenzen das Verwaltungshandeln der Regierung kontrollieren darf. Das ist in Deutschland rechtlich nicht so verankert, das geht so also gar nicht.

  • In Deutschland wird in der Regel mit ‚Ombudsstelle‘ eine Schlichtungsstelle bezeichnet, die (z.B. bei Versicherungen) zivile Gerichtsprozesse verhindern soll, indem im Vorfeld schon Konflikte geklärt werden. Das ist bei unserem Thema überhaupt nicht relevant, weil die meisten Fälle verjährt sind und somit nach zivilem Recht sowieso nicht verfolgt werden können.

  • Was die meisten mit der ‚Ombudsstelle‘ meinen, ist eine unabhängige Ansprechsstelle, die die Interessen der Betroffenen vertritt: das gibt es aber bereits:

Also: nein, eine Ombudsstelle in der Erzdiözese München und Freising braucht es nach Meinung der UAK aktuell nicht.

Wenn überhaupt, dann könnte man über eine bundesweite (oder bayernweite?), zentrale ‘Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt‘ nachdenken, die für die gesamte Gesellschaft (v.a. die Familie) und alle Institutionen (Sport/Schule/Heime/Kirche/ Kulturbereich/…) verantwortlich ist und für die der Staat/eine externe hauptamtliche unabhängige Organisation/?… die gesamte Verantwortung trägt. Die Mitarbeiter dieser Stelle müssten dann von der Beratung bis zur Antragsstellung und Entschädigung – auch in verjährten Fällen usw – alles regeln, sie müssten umfassend über die einzelnen unterschiedlichsten Aufarbeitungsprozesse informiert sein und eine hohe Professionalität im Bereich der Beratung traumatisierter Personen haben… und sie sollten dabei auch noch gleichmäßig über das Land verteilt erreichbar sein.
Bis so eine Stelle gesetzlich verankert und finanziert wäre, würden Jahre vergehen, in denen bezüglich der Aufarbeitung wieder nichts passieren würde… und ob diese Stelle dann wirklich so viel besser wäre?...

Nein, die UAK entstand als Folge der Gemeinsamen Erklärung mit dem UBSKM, dem Beauftragten für sexuellen Kindsmissbrauch der Bundesregierung), ist also – leider – ‚nur‘ für die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen zuständig. Allerdings hat sich die Erzdiözese entschieden, für alle Fälle von Gewalt, die in der Erzdiözese stattgefunden haben, Verantwortung zu übernehmen. Konkret heißt das, dass für Betroffene aus diesen Bereichen sich an die neu gegründete innerkirchliche ‚Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene von Missbrauch und Gewalt‘ wenden können. Dort werden für jeden Fall individuelle Lösungen gesucht (Tel: 089-2137-77000; email: anlaufstelle-betroffene(at)eomuc.de).